Lebensfrage: In der Pension leisertreten dürfen
Seit zwei Jahren bin ich jetzt
in Pension, bei meinem Mann
steht sie in einem halben Jahr
an und in dieser Zeit wird der
Hof an unseren jüngsten Sohn
übergeben. Ich freue mich
schon sehr, dass wir dann gemeinsame Dinge unternehmen können. Bei meinem
Mann ist das ganz anders,
denn er möchte weiterhin am
Bauernhof mithelfen. Er ist der
Meinung, die Jungen schaffen die Arbeit ohne uns beide nicht. Freilich ist mir klar,
dass wir ab und zu mithelfen
werden, aber nur mehr dann,
wenn viel Arbeit ansteht. Die
alltägliche Arbeit müssen die
Jungen schon alleine machen.
Unsere letzten Jahrzehnte waren geprägt von viel Arbeit und
Sparsamkeit, kaum haben wir
uns etwas gegönnt. Ich glaube, dass es uns zusteht, dass wir
im neuen Lebensabschnitt leisertreten dürfen. All die Menschen, die in einer Firma gearbeitet haben und in Pension gehen, haben dann auch
keine Verpflichtungen mehr.
Auf einem bäuerlichen Betrieb
scheint das anders zu sein,
doch ich möchte endlich keine Verantwortung mehr tragen
müssen. Liege ich da falsch?
Erika Trampitsch, Akademische Supervisorin
Ich meine, dass es nicht um
„richtig“ oder „falsch“ gehen
sollte, sondern dass Sie sich
Ihre Sichtweise zugestehen –
ohne daran zu zweifeln und
ohne Ihren Mann dafür zu
verurteilen, weil er das anders
sieht. Sie haben Ihrem Mann
gegenüber bereits zwei Jahre
„Vorsprung“ mit Ihrem Pensionsstatus. Vielleicht kann er
es sich noch schwer vorstellen,
wie es sich anfühlt, die Verantwortung und das „Chef-Sein“
aus der Hand zu geben. Denn
wenn Ihr Mann zu den Menschen gehört, die sich sehr
stark über die Hofarbeit, das
Sagenhaben, die Hauptverantwortlichkeit definiert haben, dann dürfte es ihm vorerst einmal nicht leicht fallen,
sozusagen von heute auf morgen alles hinter sich zu lassen –
das ist ein Prozess, der Verständnis erfordert. Was auf
einem landwirtschaftlichen
Betrieb dazukommt, ist, dass
es in gewisser Weise Tradition
hat, dass die Übergebergeneration weiterhin mithilft, zumal das Arbeitspensum von
nur zwei Personen oft nicht zu
schaffen ist bzw. die meisten
Übergeber gerne noch mithelfen möchten. Ich gebe Ihnen
recht, für Arbeitnehmer, die
in anderen Berufszweigen in
Pension gehen, stellt sich diese
Frage nicht. Ob dies nun einfacher ist oder nicht, das sei dahingestellt – eine Auseinandersetzung damit empfehle ich,
damit dieser neue Lebensabschnitt sinnerfüllt gelebt werden kann. Allerdings kann ich
Sie gut verstehen, wenn Sie
nach so vielen Jahren Ihre Verantwortung abgeben möchten, das ermöglicht Ihnen die
bevorstehende Hofübergabe.
Sie und Ihr Mann könnten mit
Ihren Jungen Vereinbarungen
treffen, ob und welche Mithilfe
weiterhin erwünscht ist. Sprechen Sie auch Ihre Bedürfnisse
an und tun Sie das, was Sie bereichert – wenn auch vielleicht
manchmal alleine. Geben Sie
Ihrem Partner die Zeit, die er
braucht, um in seiner Pension
„anzukommen“ und im besten
Fall mit Ihnen gemeinsame
Zeit zu genießen – das wünsche ich Ihnen von Herzen!